
Mathilda Kochan
UNDINE GEHT
Die Erzählung „Undine geht“ von Ingeborg Bachmann habe ich zum ersten Mal vor ein paar Monaten gelesen. Ich fühle mich mit diesem Text sofort stark verbunden und wollte ihn auf meine Art und Weise zum Ausdruck bringen. Aber nicht durch das bloße Vorlesen, sondern performativ.
Bachmanns Undine ist nicht nur ein unnahbares, mysteriöses Wasserwesen. Sie verkörpert die Kunst. Die Männer, die Undine trifft heißen immer Hans. Der Hans ist aber nicht nur ein Mann, er ist der Stellvertretende der gesamten Menschheit. Und so spiegelt die alte Sage von der Nixe, die den Menschen zunächst fasziniert und zum Schluss von von ihm verstoßen wird und sich in Nichts auflösen muss das Verhältnis der Menschheit zur Kunst. Das ganze Spektrum dieser komplexen Beziehung in einem Bild zu zeigen ist kaum machbar. Deshalb habe ich mich entschieden, den Zustand der letzten Zeilen zu interpretieren, nachzuempfinden sozusagen. Das Motiv entstand am Tillysee in der Nähe von Oldenburg. Meine Undine trägt ein weißes Männerhemd, und ist halb unter Wasser. Das Wasser dringt ihr in die Ohren ein, sie zittert vor Kälte und fühlt sich gleichzeitig befreit. Sie verweilt in dieser Position, zwischen untertauchen und auftauchen wollen. Noch ist es unentschieden, noch ist alles möglich. Undine weißt, dass der Hans immer wieder kommen wird. Und dass sie immer wieder zurück ins Wasser gehen wird. Es kann der Tod sein oder die Wiedergeburt. Ein Aufgeben oder ein neuer Versuch.
„(…) Übers Wasser gebeugt, beinah aufgegeben. Die Welt ist schon finster, und ich kann die Muschelkette nicht anlegen. Keine Lichtung wird sein. Du anders als die anderen. Ich bin unter Wasser. Bin unter Wasser.
Und nun geht einer oben und haßt Wasser und haßt grün und versteht nicht, wird nie verstehen. Wie ich nie verstanden habe.
Beinahe verstummt,
Beinahe noch
den Ruf
hörend.
Komm. Nur einmal.
Komm.“
Ingeborg Bachmann: „Undine geht“, (1961)